Bericht aus dem ISRAEL-Report im Sommer 2000 von Johannes Geloff siehe auch: http://www.israelnetz.de

eingestellt von Rolf Häberle

Jerusalem, Zion, Babylon, rechte Hand

In Richtung Jerusalem sollte man beten, das lernt jedes Kind in der Schule, mindestens in Israel. So hat es der alte König Salomo bei der Einweihung des ersten jüdischen Tempels gelehrt. Dafür hat der biblische Prophet Daniel sein Leben aufs Spiel gesetzt, weil er dreimal am Tage am offenen Fenster in Richtung Jerusalem betete. Deshalb lehrt der Talmud, dass man „in einem Raum, der keine Fernster hat, nicht beten sollte“.

Wenigstens dreimal täglich, nach jeder Mahlzeit, beten orthodoxe Juden in aller Welt seit Jahrtausenden: „Baue Yerushalayim, die heilige Stadt, schnell in unseren Tagen!“ Das Bewusstsein bibel- und traditionsgläubiger Juden ist durchdrungen von dem Bewusstsein, das im Psalm 137 zum Ausdruck kommt: „An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten“.

In Babel stehen dem Menschen alle Möglichkeiten offen. Wie in Ägypten kann er den Boden bearbeiten, „seinen Samen säen und selbst tränken wie in einem Garten“ (5. Mose 11,10). Wenn die Menschen ihre Kräfte nicht durch Uneinigkeit aufreiben oder aufgrund ihrer Faulheit brach liegen lassen, ist Babylon das Land, in dem Erfolg garantiert ist. Die regelmäßige Wasserversorgung durch die Ströme Euphrat und Tigris sind, neben dem schon in 1. Mose 11,3 erwähnten Erdharz, bis heute die Grundlage für den Reichtum des Zweistromlandes. So ist „Babel“ der biblische Inbegriff für Macht, Reichtum, Herrlichkeit, Üppigkeit, Schönheit, Weisheit und Kunst. Babylon wohnt „an großen Wassern“ und hat deshalb „große Schätze“ (Jeremia 51,13).

Das in der Bibel beschriebene Babel ist Inbegriff von Kultur und Zivilisation, die „Zarte und Verwöhnte“ (Jesaja 47,1), in der sich der Mensch „einen Namen macht“. In Babel beweist er sich selbst, der Weilt und Gott, was er aus eigener Kraft kann. Angesichts der Errungenschaften des „schönsten unter der Königreichen“ (Jesaja 13,19) muss selbst der Schöpfergott zugeben: „... nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun“ (1. Mose 11,6). Das biblische Babylon ist das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“, ganz im Gegensatz zu „Zion“.

Mose machte die Israeliten schon in der Wüste darauf aufmerksam, dass das „gelobte Land“, im Gegensatz zu Ägypten und Babylon, bergig ist und nur vom Regen und Tau des Himmels getränkt wird (5. Mose 11, 10ff). Im Land Israel kann der Mensch seinen ganzen Fleiß, all sein Wissen und Können in den Erdboden stecken. Am Ende bleibt er doch auf den Segen Gottes, den Regen, angewiesen. In Israel kann der Mensch aus eigener Kraft nichts zustande bringen, weil es ein Land ist, „auf das der Herrm dein Gott, acht hat“ (5. Mose 11,12). In Babylon oder Ägypten kann man vom Zustand des Landes und dem Erfolg seiner Menschen auf den Fleiß oder das Können der Arbeiter schließen. In Israel dagegen hängt alles an der Zuwendung Gottes.

Und zu der Zeit, als die Israeliten „an der Wassern von Babel saßen“, war Zion auch noch „wie ein Acker gepflügt“, Jerusalem „zum Steinhaufen“ und „der Berg des Tempels zu einer Höhe wilden Gestrüpps“ geworden (Jeremia 26,18). Von der Herrlichkeit der Gottesstadt war nicht übrig geblieben. Die schlimmsten Erwartungen der Propheten waren schreckliche Wirklichkeit geworden. „Juda liegt jämmerlich da, seine Städte sind verschmachtet. Sie sitzen trauernd auf der Erde, und in Jerusalem ist nichts als lautes Klagen“ (Jeremia 14,2). Die Leute lagen auf den Gassen Jerusalems, vom Schwert und Hunger hingestreckt, und niemand konnte sie begraben, sie und ihre Frauen, Söhne und Töchter... (Jeremia 14,16).

Sind es nur Verrückte, die weinen, wenn sie an Zion denken, noch dazu während sie an den „Wassern von Babel“ sitzen? Oder sind es diejenigen, die wissen, was auch noch das zerstörte Zion in den Augen Gottes darstellt?
Welche Pläne und Absichten der lebendige Gott mit diesem „vergessenden und von aller Welt verlassenen judäischen Bergnest“ hat, wie es ein Christlicher Pilger in der Mitte des 19. Jahrhunderts charakterisierte?

Die geistlichen Leiter des jüdischen Volkes waren sich dessen bewusst, wie leicht man „Zion“ vergisst. Sie unternahmen alles, um die Erinnerung an Jerusalem im jüdischen Volk wach zu halten. Deshalb sollte eine jüdischen Frau niemals all ihren Schmuck zur gleichen Zeit tragen. Deshalb sollte auch das schönste Haus an irgendeiner Stelle, am besten in der Nähe des Eingangs, unvollkommen gelassen werden, zum Beispiel durch das Fehlen eines Stückes Verputz. All das, um auszuschließen, dass irdische Vollkommenheiten und Schönheiten darüber hinwegtäuschen, dass erst im auferbauten Zion vollkommene Freude möglich ist.

Die jüdischen Gelehrten wussten schon im Altertum, dass Jerusalem nicht menschlich Attraktives, weder „die Früchte des Sees Genezareth“ noch „die Thermalquellen von Tiberias“, zu bieten hat. Nur den vom Geist Gottes geeichten Augen und dem von der Liebe Gottes getränkten Herzen ist die in den talmudischen Schriften so hoch gepriesene Schönheit Jerusalems sichtbar. Deshalb hängten die Juden ganz bewusst „ihre Harfen an die Weiden dort im Lande“ (Psalm 137,2). Und bis zum heutigen Tage ist aus diesem Grunde in orthodoxen Synagogen keine Instrumentalmusik zu hören.

Die Babylonier, von denen die Israeliten gefangen gehalten wurden, dienten zwar selbst nicht dem Gott Israels. Aber sie gehörten auch nicht zu denen, die anderen ihre eigene Kultur und ihre eigene Kultur und ihre eigenen Glaubensüberzeugungen aufzuzwingen suchten, nicht einmal Besiegten. Vielmehr forderten sie die jüdischen Exilanten auf, ihre eigene Kultur und Religion mitzubringen und weiterzuentwickeln. „Bringt das, was euch euer Gott anvertraut hat, mit ein in unsere Kultur! Macht uns bekannt mit dem, was euer Leben und eure Vorstelungen prägt! Singet uns ein Lied von Zion!“ (Psalm 137,3) Und immerhin ist die bis heute grundlegende Traditonssammlung des Judentums, der babylonische Talmud, im „Land der Chaldäer“ entstanden. Babel ist nicht nur das Land der unbegrenzten Möglichkeiten im materiellen Bereich, sonder auch ein „Markt der unbegrenzten Möglichkeiten im religiösen Sinn“. In Babel ist alles erlaubt, wird alles toleriert. Niemand muss einen Gott, seinen Glauben, seine Erfahrungen, Wünsche oder Vorstellungen zugunsten einer einheitlich vorgeschriebenen Staatsreligion zurückstellen. Toleranz ist die alles tragende Religion Babylons. Spätestens hier wird deutlich, dass es nur die wirklich „Verrückten“,die „starrsinnigen Fundamentalisten“ sind, die nicht anders können, als die Bibel wörtlich zu nehmen und dieser so wohlmeinenden Aufforderung zu entgegnen: „Wie könnten wir des Herrn Lied singen in fremdem Lande?“ (Psalm 137,4).

Wären die Gefangenen damals in Babylon „rechte Christen“ und nicht jüdischen Starrköpfe“ gewesen, hätten sie dieses Angebot schleunigst beim Schopf ergriffen. Ihre Erinnerungen an Jerusalem wären zum „Prinzip Zion“ vergeistlicht, ihre Sehnsucht existenzial uminterpretiert und damit politisch korrekt in die rechten Bahnen geleitet worden. Nur noch im stillen Kämmerlein hätten sie die „Herzenstüren“ in Richtung (des theologischen Konzeptes) „Zion“ geöffnet....

Der gläubige Israelit weiß, wenn sein Gott hilft, errettet oder erlöst, das heißt, „Heil schafft“, dann tut er das mit seiner „rechten Hand“. Er Weiß um die Zusage seines Gottes, „ich achte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit“ und antwortet ihm darauf: „Meine Seele hänget an dir; deine rechte Hand hält mich“ (Psalm 61,9). Denn Gottes „rechte Hand“ pflanzt, erfreut, stärkt herrscht und richtet „voll Gerechtigkeit“. Und wenn der Gott Israels sich gegen sein Volk wendet, dann hat er „seine rechte Hand zurückgezogen“ oder „seine rechte Hand.... geführt wie ein Widersacher“ (Klagelieder 2, 3+4).

Dieser alttestamentlich-jüdische Sprachgebrauch zieht sich bis ins Neue Testament hinein, wenn die Apostel vom Messias Jesus sagen, dass „Gott (ihn) durch seine rechte Hand erhöht (hat) zum Fürsten und Heiland, um Israel Buße und Vergebung der Sünden zu geben“ (Apostelgeschichte 5,31). Deshalb singt man „mit Freuden vom Sieg in den Hütten der Gerechten“: „Die Rechte des Herrn behält den Sieg! Die Rechte des Herrn ist erhöht; die Rechte des Herrn behält den Sieg!“ (Psalm 118, 15-16)

Was die Heilige Schrift über die Bedeutung der „rechten Hand“ Gottes für das Handeln Gottes aussagt, das gilt auch für die „rechte Hand“ eines Menschen. Wenn ein Mensch erfolgreich sein will, dann muss er sein Werk mit seiner „rechten Hand“ auf die rechte Weise vollbringen. Die „rechte Hand“ von Menschen spielt in der Bibel eine entscheidende Rolle beim Segnen, beim Unterscheiden, ei der Reinigung und beim Gutestun. Deshalb ist auch entscheidend, dass „der Herr .... dein Schaffen über deiner rechten Hand“ ist (Psalm 121,5).

Darüber hinaus sehen jüdische Rabbiner einen Zusammenhang zwischen „Meiner Rechten“ (yemini) und dem Wort „lehaamin“. Das hebräische Verb „lehaamin“ bedeutet „vertrauen, treu sein, jemandem etwas zutrauen, glauben“. Es bezeichnet die Beziehung zwischen Gott und Menschen. Von daher erstaunt es wenig, wenn der biblische Sprachgebrauch an manchen Stellen die „rechte Hand“ eines Menschen als das Organ bezeichnet, durch das Gott mit einem Menschen Verbindung aufnimmt und kommuniziert.

Wenn mit dem „Vergessen Jerusalems“ die „rechte Hand“, so wörtlich, ihre Funktion „vergisst“, wie ein welkendes Blatt verdorrt und schließlich abfällt, dann wird einem Menschen damit jede Möglichkeit genommen, in den Augen der Menschen, aber auch in den Augen Gottes, etwas zu schaffen, das als „Erfolg“ oder gar „Frucht“ bezeichnet werden könnte. Doch die Sänger des Psalms 137 hatten auch an den „Wassern von Babylon“ nicht vergessen, dass Freude nur vollkommen sein kann, wenn Jerusalem auferbaut, das Volk Israel mit dem Land Israel vereint ist und Zion, das heißt die Stadt Jerusalem im Lande Judäa, seinem von Gott bestimmten Zweck dient. Sei wussten: „Vergesse ich dich, Jerusalem, so verdorre meine Rechte“ (Psalm 137,5).

Wenn Gott etwas Entscheidendes tut, dann sieht der biblischen Sprachgebrauch ihn das mit „seiner Rechten“ tun. Mit „seiner Rechten“ hat der Schöpfer „den Himmel ausgespannt“ (Jesaja 48,13) und Israel aus Ägypten erlöst (2. Mose 15, 6.12). Die „Rechte“ des Herrn ist aus Moses Sicht der Ursprung der Thora (5. Mose 33,2), und nicht ihre militärische Macht oder taktische Schläue haben den Israeliten zu ihrem Land verholfen, „sondern deine Rechte, dein Arm und das Licht deines Angesichtes“ hat Zion erworben (Psalm 44,; 78,54).

JA ABER, wird jetzt so mancher Bibelleser einwenden, kann man das denn so absolut sagen, dass einem, der Jerusalem vergisst, jede Möglichkeit genommen wird, erfolgreich zu sein? Und hat Gott nicht den ersten Aussagen der Heiligen Schrift nicht durch sein Wort geschaffen? JA, das stimmt! Und deshalb vergessen die „Zionisten“ an den „Wassern von Babylon“ auch nicht hinzuzufügen: „MeinenZunge soll an meinem Gaumen kleben, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein“ (Psalm 137,6).